Gentoo Okay, vorweg der Hinweis, dass ich an die Installation dieser Distribution nicht ganz unbefangen herangegangen bin. Gentoos Besonderheit ist Portage, eine Art Paketmanager, aus dem man sich die Sourcen aller möglicher Programme lädt um daraus dann die Binaries zu kompilieren. Einige nutzen Gentoo unter dem Vorwand, damit das letzte Quäntchen Performance aus ihren Rechnern holen zu können. Allerdings finde ich dies höchst fragwürdig, denn um einen Vorteil von einer halben Sekunde, die ein Programmstart so vielleicht schneller geht, herauszuholen, wartet man erstmal mehrere Minuten, bis das ganze aus den Sourcen kompiliert wurde. Die Rechner, für die Gentoo also am besten geeignet ist, sind schnelle Rechner... mit anderen Worten die, bei denen es am wenigsten notwendig wäre, die Performance bis zum letzten auszureizen. Mit dieser nicht ganz neutralen Einstellung habe ich mich also nun an die Installation des Systems gemacht. Ich verwendete dazu das 2004.3-Release. Auf den ersten Blick wurde ich positiv überrascht vom Installer. Die Online-Dokumentation des Installationsvorgangs ist exzellent, da könnten sich einige andere Distributionen wirklich eine Scheibe abschneiden. Es wird bis ins kleinste Detail erklärt, wie man vorgehen kann, welche Befehle einzugeben sind und was damit beabsichtigt wird. Befolgt man diese Anleitung, so kommt man auch einigermaßen schnell zu einem funktionierenden Basissystem. Nimmt man die Stage3-Installation, muss auch nicht viel kompiliert werden. Ein Kritikpunkt: Der Kernel muss auf jeden Fall kompiliert werden. Hierfür gibt es zwar die Möglichkeit, einen generischen Kernel mit Gentoo-Vorschlägen (genkernel) kompilieren zu lassen wenn man selbst noch nicht so viele Erfahrungen mit Kernelbacken gesammelt hat, allerdings kann dies dennoch eine Weile dauern. Ebenfalls für Neulinge nicht gerade einladend ist die Festlegung der Compiler-Flags, die eben dazu dienen sollen, systemspezifische Optimierungen zu ermöglichen. Gentoo-Freaks werden sich dennoch nicht scheuen, dem unbedarften Nutzer ihre CFLAGS und USE-Parameter vorzubeten, mit denen sie es geschafft haben, ihr System 1/2 Sekunde schneller starten zu lassen. Die Installation selbst gestaltete sich ansonsten problemlos. Ich habe mich auf eine Stage3-Installation beschränkt, da ich gern bereits nach einem Tag ein laufendes Basissystem haben wollte. Was nun? Portage bietet eine große Anzahl von möglichen Programmen, die man installieren kann. Auf den ersten Blick habe ich zumindest nichts vermisst. Zuerst habe ich mittels emerge xorg das X-Window-System installiert. Dies klappte auch anstandslos. Nun dachte ich mir, ich teste mal ein paar andere Window-Manager... namentlich Fluxbox. Also habe ich mittels emerge fluxbox mein Glück versucht... um nach 15 Minuten festzustellen, dass mit einem Compilerfehler abgebrochen wurde. Solcherlei Hindernisse von Binary-basierten Distributionen ungewohnt, versuchte ich mich stattdessen an WindowMaker. Hier brach die Kompilierung bei einer Dependency (Hermes) ab. Mit diesen Problemen konfrontiert empfahlen mir Gentoo-Nutzer, erstmal Compiler und vielleicht auch den Rest des Systems auf den neusten Stand zu bringen. Also habe ich gcc aktualisiert und mal flott ein emerge -u world und anschließend (da dies noch nicht half) noch ein emerge -u system gemacht, um festzustellen, dass ich soeben 2 Tage meines Lebens zwecklos Compiler-Ausgaben auf dem Bildschirm beobachtet habe. Weder Fluxbox noch WindowMaker ließen sich anschließend endlich ohne Fehlermeldung kompilieren. Einem weiteren Hinweis folgend habe ich daraufhin die aktuellsten Versionen maskiert und mich an einer älteren Version versucht - ebenfalls erfolglos. Nunja, es ist müßig zu sagen, dass ich langsam die Nase voll hatte. Nach nurmehr etwa 4 Tagen hatte ich schon erwartet, einen X-Server mit einem Fenstermanager laufen zu haben. Daher wurde das Experiment Gentoo an dieser Stelle kontrolliert abgebrochen und zu den Akten gelegt. Fazit: Ich wurde darauf hingewiesen, dass auch andere Leute mit dem 2004.3-Release Probleme beim kompilieren hatten. Da ich aber auf diesem Rechner nicht noch eine weitere mehrtägige Gentoo-Installation über mich ergehen lassen wollte, beschränke ich mich auf die bisherigen Ausführungen. Für wen ist Gentoo nun meiner Meinung nach geeignet? Definitiv nicht für langsame Systeme (alles unter 1GHz) es sei denn, man hat die Möglichkeit, die Kompilierarbeit von einem anderen Rechner bewältigen zu lassen. Außerdem besteht wohl auch die Möglichkeit, Binaries für Gentoo zu installieren... allerdings widerstrebt das eigentlich dem Grundgedanken der bis zum Erbrechen optimierten Distribution, denn wer Binaries nutzen möchte, ist mit Debian beispielsweise besser bedient. Wer allerdings eine neue Herausforderung sucht und sich nicht davon abschrecken lassen möchte, für die Installation eines Programmes etwas länger warten zu müssen - und einen einigermaßen aktuellen Rechner hat - der kann sich Gentoo zumindest mal anschauen.